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Emilie Ziegler an Eltern und Geschwister:

Emilie beschäftigt sich mit familieninternen Fragen, besonders mit ihren Geschwistern, gewisse Heimwehgefühle sind erkennbar; jetzt schildert sie auch andere Details ihres Lebens in Akropong; erneut Haushaltsfragen und Bemerkungen zur eigenen Viehhaltung

(Akropong, 28. Juli 1857)

M3,57 Em 6

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Eure Briefe haben wir richtig erhalten u wie Ihr Euch denken könnt, mit große Freude; denn Briefe thuen einem hier doppelt wohl. Besonders wenn die Nachrichten im allgemeinen gut sind, wie es bei Euren Briefen bis jetzt immer der Fall war. Gottlob. (Die angeführten Nachrichten betreffen ihre Geschwister Ludwig, Marie und Julius.) [...] Ihr bekommt jetzt Briefe von zwei verschiedenen Welttheilen her, wer hätte das gedacht, als wir noch Kinder waren, gewiß des Herrn Wege sind wunderbar; möge er sie bei allem herrlich hinausführen. [...]

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[...] Daß es Pauline (älteste Schwester Ziegler) jetzt ordentlich geht, gönne ich ihr recht. Seit ich verheurathet bin, habe ich mich schon oft in ihre frühere Lage versetzt u sie herzlich bedauert, o wie gut hats der Herr mit mir gemacht; obwohl ich ganz unverdienterweise in meinen jetzigen Verhältnissen, mit denen ich zufrieden und dem Herrn dafür danken kann, u im Besitz meines geliebten Mannes, so sehe ich doch ein, daß es gut u ein Segen ist, nicht nur für das innere u ewige Leben, was die Hauptsache ist, sondern auch für das äußere, wenn man von den Wegen des Herrn nichts weiß.

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Wahr ist: die Gottseligkeit ist zu allen Dingen nütze u hat die Verheißung dieses u des zukünftigen Lebens.

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Es ist mir jetzt ganz heimelig bei dem Gedanken, daß Ihr nun auch bekannt seid mit unsern lieben Geschwistern (Gottliebin) Merkle u (Johanne) Rapp, sie sind mir recht theure Verwandte, denn unsere Freundschaft erstreckt sich ja nicht bloß auf diese Pilgerzeit, sondern wird uns in der rechten Heimath erst in ihrer Vollkommenheit zutheil.

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Daß Hr Insp. J(osenhans) so freundlich sein wird, Euch zu besuchen, dachten wir uns, denn wir hörten, daß er in Württ. sei; von ihm habt ihr freilich manches erfahren können, besonders aber von Frau Mohr, die jetzt so nahe bei Euch wohnt; daß sie von Christallers Lieben (d.i. den neuen Anverwandten) erzählen wird, vermutete ich, es ist mir lieb, und ich bin Euch u der lb Gottliebin dankbar, daß ihr Eure Stimmen darüber erhebet. An Vorstellungen von meiner Seite, wie solche anzubringen sind, fehlts nicht, aber mit Worten habe ich noch nicht viel ausrichten können. Besser gehts, wenn ich eine kleine List gebrauche u ihn manchmal bitte, mir dies oder jenes zu helfen oder zu tun oder mit mir spazieren zu gehen, denn er thut mir zulieb viel leichter u lieber etwas, als sich selbst. Nächste Woche will er sich ein wenig ausspannen u auf 8 Tage zu dem kranken Bruder Winterle nach Aburi gehen, der seit seinem Hiersein an einer schwierigen Fistel leidet.

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Möchte manchmal auch einen Gang auf die Linde tun können, wo alles so schön ist, trägt mein Bäumchen auch wieder? Wenn Ackerbohnen zupfen mein Lieblingsgeschäft wäre, so hätte ich hinlänglichen Erfolg hier am Kaffeezupfen, was jetzt bald seinen Anfang nehmen wird, sobald das Wetter günstiger ist; es ist nämlich wirklich Übergangszeit von der großen Regenzeit in die kleine, welch letztere sehr unangenehm ist, weil es immer nebelt, und die Luft feucht macht, wobei es meist kalt ist, so daß die Eingeborenen ganz erfroren herumlaufen u hocken, wie bei uns im kältesten Winter u wollen nicht arbeiten. Mit der Wäsche ist man in dieser Zeit in der Not, denn wenn sie hier nicht schnell trocknet, bekommt sie Sporflecken.

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[...] Du schriebst, lb Mutter, daß Bertha größer als ich und Dir jetzt eine rechte Hilfe in der Haushaltung sei; darüber fällt mir ein, was Du einmal sagtest, als wir alle noch daheim u Bertha u Sophie noch ganz klein waren; Du sagtest nämlich, Du seiest froh, daß Deine kleinsten Kinder Mädchen seien, wenn nun wir älteren groß u nicht mehr daheim seien, dann habest Du an den Kleinsten, die indessen heranwachsen, neue Hülfe; nun ist es soweit gekommen u ich muß über meine damaligen Gedanken lachen, denn ich ward bei dieser Rede ganz bekümmert darüber: wo ich gern hin müsse, wenn ich groß sei. Nun, Bertha soll sich nur in alles recht einarbeiten, was sie jetzt lernt, bleibt ihr; ich war schon oft recht froh darüber, daß ich daheim habe alles thun müssen wie eine Magd, ich kanns jetzt gut brauchen, u fällt mir alles wieder ein, wie wenn ich immer einer Haushaltung vorgestanden wäre, u mittlerweile kommt mir dann auch die Ladenwissenschaft zugut.

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Jetzt muß ich Bertha auch etwas von Geflügel schreiben, sie hat sichs ja schon gewünscht in einem Brief, den sie mir nach London schrieb. Zuerst soll sie nun wissen, daß ich nun einen Hühnerjungen habe, er heißt Kofi u ist der Kochjunge, er muß Holz u Wasser in die Küche liefern, hat zugleich die Hühner unter sich, für die er großes Interesse hat, er weiß die Eigenschaften jeder einzelnen, denn er sitzt oft stundenlang im Hof oder auf den niederen von Lehm gebauten Stellen, wovon jede Henne einen besonders hat u studiert sie; erhält er Befehl, eine zu schlachten, so glänzen seine Augen vor Freude, besonders wenn er schon eine im Aug hat, die nicht gern legt. Er ruft dann, komm, komm, dann eilen sie von allen Seiten daher, denn sie kennen seine Stimme, er fängt nun mit leichter Mühe sein auserlesenes Opfer u schlachtets, wobei ihm die anderen zusehen, und das, was er als Abgang wegwirft, fressen. Dieses Schlachten kommt natürlich oft vor, denn wir haben hier keine große Auswahl von Fleisch, es gibt nur noch Ziegen u Schafe, kann man nun solche haben, so gibt man den anderen Haushaltungen kauf- oder leihweise davon ab, weil eine einzige es nicht schnell genug wegessen könnte. Außerdem gibts noch hie und da Wildschweinfleisch, was uns die Eingeborenen liefern; dies wird gesotten u in Essig gelegt, wo es sich, wenns nicht sehr heiß ist, ungefähr 6 Tage hält.

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So hängt man also von Fleisch von Hühnern ab u braucht davon viele. Deshalb schickt man von Zeit zu Zeit einen Knaben in die umliegenden Örter, um zu kaufen, wo man dann für 2 Thaler 16 bis 18 Hühner erhält. Kommt nun so ein Heer, so hat Kofi große Not, daß sie nicht wieder davonlaufen. Er bindet sie zuerst neben der Küche auf einem freien Platz an einen Strauch u gibt ihnen Futter (Mais), nach einigen Tagen bindet er sie zwei und zwei aneinander u läßt sie so umherspazieren, behält sie aber immer im Auge. Nach ungefähr 14 Tagen sind sie dann angewöhnt. Wenn man ihnen recht zu fressen gibt, legen sie fleißig, eine Henne legt 6-8 Eier, ruht 4-6 Wochen aus u fängt dann wieder an. Ein Übelstand ist dabei: die Eingeborenen stehlen sie gern, sie sind wohl anhänglich an uns, aber auch an unser Eigenthum u kommen oft in eine Begriffsverwirrung zwischen mein u dein; vor einigen Wochen ward mir eine ungewöhnlich große Henne gestohlen, die ich lange gefüttert u die ihr erstes Ei (so groß als ein Entenei) gelegt hatte. Ich freute mich schon auf so große Eier, aber nicht lange, denn in der nächsten Nacht kam die Henne fort u nach einigen Tagen eine zweite. So gehts auch mit Haushaltungssachen, auf alles muß man immer ein scharfes Aug haben. Doch für jetzt genug, ich denke Du bist zufrieden, Bertha? In herzlicher Liebe Euch alle grüßend Eure Emilie Christaller.

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