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Emilie Ziegler an Vater Ziegler:

Emilie versucht ihrem Vater verständlich zu machen, daß sie keine Alternative sieht zu der Möglichkeit, in die Mission zu gehen

(Stuttgart, 13. Aug. 1856)

M1,56 Em 1

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Lieber Vater! Ganz unerwartet erhielt ich heute Deinen Brief, ich rechnete am Samstag darauf, aber eben so unerwartet war mir auch der Inhalt desselben; einen Sohn stark u kräftig würdest Du gern dem Herrn, dem alle Deine Kinder gehören, geben, aber da er eine Tochter sich herausgelesen, willst Du nicht? Dir gehts wie dort dem Vater Isai 1. Sam. 16, aus dessen Familie sich der Herr eins herausgelesen hatte, als Samuel nun kam, ihr den Gewählten zu holen, da hatte der gute Vater auch die kräftigen und starken im Auge, der Herr aber den Kleinsten u Schwächsten, u dieser ist dann der Held gewesen, von dem wir am Sonntag hörten, der den Riesen Goliath überwand, vor dem die Stärksten im Volk am meisten zitterten, woher kam wohl dem schwachen zarten Hirtenknaben diesesr Sieg? gewiß nicht daher, daß er in sich Überlegenheit dem Riesen gegenüber fühlte, nein, sondern weil er vom Herrn gesandt war, von dem der weit öfter sein Werk ausführt durch Kräfte u Werkzeuge, die wenig oder nichts sind vor der Welt u den Menschen, die nur sehen, was vor Augen ist, als durch starke Heeresmacht, weil so ihm am meisten die Ehre bleibt; in der Missionsgeschichte ist es eine durch lange Erfahrung erprobte Wahrheit, daß kräftige blühende Naturen gebrochen sind, während zärtere u schwächere stehen blieben, doch kann dies nur da geschehen, wo ein innerer Beruf ist.

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Wenn jemand bei mir wäre u mich immer aufforderte u aufmunterte, diesen Beruf zu wählen, ohne daß ich mich selber dazu getrieben fühlte, so könnte u würde ich jetzt leicht zurückstehen, aber schon in meiner Kindheit träumte ich mich in die Heidenwelt, u nun seit den letzten sieben Jahren meines Lebens blieb ununterbrochen mein Wunsch auf diesen Beruf gerichtet, seit dem letzten halben Jahr, in welcher Zeit es mir gewiß wurde, daß ich zur Mission berufen bin, warte ich stille, bis der Herr mir rufen werde, u nun hat er mir gerufen, deshalb stehe ich freudig u entschlossen da zu gehen, fürchte mich weder vor einem afrikanischen Löwen, noch vor einem Steuermann losen Schifflein, denn ich weiß an wen ich glaube, ich weiß wer mich berufen, nämlich der, der mein Lebensschifflein durch manchen Sturm u Wellen zwar, doch aber freundlich durch alle Klippen u Irrgänge, in die ich mich zu bringen in Gefahr war, bis hieher leitete u brachte, sollte der nun ferne stehen, ins Schifflein liegen u schlafen? Der, der vorige Woche erst, als mirs so dunkel war in meinem Herzen über meine lange Wartezeit, mich auf den Vers verwies: Früchte dich nicht, ich bin bei dir, weiche nicht, denn ich bin dein Gott, ich helfe dir ich stärke dich auch, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit, sollte der nun sich von mir wenden, da dieser ernste Ruf an mich gelangt ist, sollte er gleichgültig darüber sein? o nein, der Hüter Israel schläft noch schlummert nicht, er bewacht die Seinen mehr als eine Mutter ihr Kindlein, das einen größeren Gang zum erstenmal zu machen hat, der Herr bedenkt nicht erst hinterher, was er thut; u sein Wort bezeugt, der Tod seiner Heiligen ist werth gehalten vor dem Herrn; gesetzt, auch ein früher Tod würde mich in Afrika erwarten, so wirst Du dem Herrn so viel zutrauen, daß er mich nicht dorthin rufen würde, wenn mir dies nicht gut wäre, u wenn Du mich von meinem Wege abhalten willst, auf daß ich auch Eltern u Geschwistern später Gutes thun könnte, so ist das nicht sehr spekulativ von Dir, denn einmal ist es eine alte Missions-Erfahrung, wer dem Herrn an seinem Reiche bauen hilft (also Du in Deinem Theil, daß Du Deine Tochter dazu hergibst), der baut sich selbst, für das zeitliche u ewige Leben; zum andern hast Du es noch nicht auf dem Brief, ob Du später statt Gutes wie Du hoffst, Böses an mir erfahren müßtest, denn wie leicht kann ich vom Lebensweg dem Schmalen, der zum Himmel führt, abkommen.

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Glaubst Du aber, daß mich der Wunsch, eine verheurathete Frau zu sein, zu meinem Entschlusse brachte, so sollst Du jetzt wissen, daß ich dieses wäre in der Heimath, wenn ich hätte wollen, oder vielmehr wenn ich nicht zum Missionsdienst mich berufen fühlte. Weiter hältst Du mir das allerdings beherzigenswerthe Wort vor: 'Es prüfe wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet!' Ich setze bei: Wer sich im Heiland sucht u findet, da ist ein höherer Werber mit im Spiel, wie dort bei Isaak u Rebekka 1. Mos. 24. Daß Du glaubst, die Frauen, die in Afrika sind, sehnen sich in ihre Heimath, bist Du sehr irrig, das wäre erstens kein Missions Sinn, u zweitens hätten sie ja immer Zeit, wieder zu kommen, nun gekommen ist noch keine, wohl aber sind wirklich Miss.Dieterles aus Afrika hier, zur Erholung, beide aber sehnen sich wieder nach ihrem Afrika, daß sie so bald es die Umstände erlauben, wieder dorthin gehen, (ich werde sie beiläufig gesagt in den nächsten Tagen besuchen). Wohl ist in Afrika ein heißes feuchtes Klima, aber ich weiß nicht, kann mich nicht fürchten, denn kommen andere durch, warum nicht ich auch. Die Station, wo Christaller ist, heißt Akropong, es sind außer ihm noch zwei Missionare dort, Ersterer beschäftigt sich wirklich hauptsächlich mit der Aneignung der Landessprache, die sehr schwer sein soll, da es hier hauptsächlich viel auf die Betonung ankomme, was der Europäer am schwersten lerne, so las ich in einem der letzten Berichte. Daß Christaller kein Häfner ist, darauf kann ich Dir ganz sicher die Hand geben. Überhaupt ist hier gar kein Vergleich zu machen, wäre Häfner ein Christ, so wäre er ein ganz anderer Mensch. Sein erstes Zusammentreffen mit P. geschah auf dem Tanzboden. (am Rand:) das, das mir bevorsteht, geschieht auf gottgeweihtem Missionsboden. Wir beide haben im Herzen Einen Sinn und im Auge Ein Ziel, gib acht, da gehts besser.

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Nun weiß ich weiter nichts mehr zu schreiben als dies, daß ich mir bis Samstag Deine wohlüberlegte entschiedene Antwort wünsche, einmal weil es Zeit ist meine Entscheidung zu geben u dann wegen (den) Herrn Springs, die schon von der Sache wissen. Herr Prälat Kapf u meine übrigen Freunde gaben mir alle ihre Beistimmung, von Johannes erwarte ich einen Brief auch am Samstag. Nun die ganze Sache u wir selbst seien der Gnadenleitung Gottes befohlen. In ihm grüßt Euch alle herzlich Eure Emilie.

(Bleistift Schluß: kannst Du Dich so schnell nicht entschließen, so warte lieber noch länger.)

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