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Johann Gottlieb Christallers Lebenslauf vorgetragen bei der Ordination in Backnang am 7. Nov. 1852 (diese Rede gibt z.T. fast wörtlich den unter 47/1 zitierten Lebenslauf wieder, die zusätzlichen oder abweichenden Partien werden hier abgedruckt)

(7. Nov. 1852)

Nbrg JG Chr Vita 52

<1>

Lobe den Herrn, meine Seele! Vergiß nicht, was er Dir Gutes gethan hat! Der Dir alle Deine Sünde vergibt und heilet alle Deine Gebrechen!.

Diese Worte, theuerste Freunde, darf auch ich zu den meinigen machen, wenn ich hier vor Euch stehe und beim Rückblick auf mein vergangenes Leben erkennen muß: bis hieher hat mir der Herr geholfen. Zur Ehre seines Namens möge auch das gereichen, was ich über meinen bisherigen Lebensgang zu sagen habe. (Der Redner blättert dann die einzelnen Stationen seines Lebens auf, immer mit der Zielsetzung, seine Einstellung zum Missionsgedanken seinen Hörern begreiflich zu machen, indem er schließlich zusammenfaßt):

<2>

[...] So wurzelt also, möchte ich sagen, mein Beruf für die Mission menschlicherseits in dem Missionssinn einer christlichen Gemeinde und einer christlichen Familie.

<3>

[...] Es bedurfte einer wunderbaren Fügung und Aufforderung des Herrn, bis ich den 116ten Psalm recht zum Ausdrucke meiner Erfahrungen machen konnte. (Er hatte im Sommer 1848 das Missionsfest in Basel besucht, aber den entsprechenden Meldetermin zur Aufnahme in die Missions-Voranstalt versäumt und wurde dann im folgenden Jahre in das Missionshaus aufgenommen.)

<4>

[...] Die Missionscommittee betrachtet den Aufenthalt eines jeden Bruders in der Missionsanstalt vom Anfang bis zu Ende als eine fortgehende Prüfungszeit.

<5>

[...] Der Treue, der Güte und Liebe meines Gottes und Heilandes, die ich im Missionshause erfahren durfte ungeachtet all meiner Schwachheiten, Versäumnisse und anderer Sünden, ist zuviel als daß ich davon zu reden anfangen könnte. Auch wenn der Herr, statt mich auf das Arbeitsfeld hinauszuziehen oder dort einige Zeit wirken zu lassen, mich von dieser Erde abrufen würde (wie uns gerade beim letzten Missionsfest 2 solcher Fälle eindringlich gemacht wurden), so könnte ich ihm doch in alle Ewigkeit nicht genug danken für den reichen Segen, den er mir im Missionshause zu Basel für mein eigenes Herz und Leben so unverdienter Weise beschert hat. Besonders durch die Unterweisung in seinem Worte der Wahrheit durch die Einführung in die Erkenntniß seiner Liebe, des in Christo geoffenbarten Rathsschlusses zu unserer Erlösung und Beseligung, wobei unser theurer Lehrer, der vorhin geredet hat (d. i. Pfarrer Geß) nicht das geringste Werkzeug des Segens in Gottes Hand war. Aber auch Euch, theuerste Missionsfreunde, spreche ich für mich und im Namen meiner Mitzöglinge in Basel (die bisher immer zur größeren Hälfte, sowie fast alle Lehrer, Würt(t)emberger waren) unsern tiefgefühlten Dank aus, daß Ihr durch thätige Theilnahme an dem Werke der Mission nicht blos den armen Heiden, um derer willen wir dort sind, sondern auch uns selbst so große Wohlthaten mit erweiset.

<6>

(Nun aber soll mir der heutige Tag, an dem ich vor Euren Augen samt meinem geliebten Mitbruder den Segen der Kirche und die feierliche Einsezung in das Amt, das auch für die Neger in Afrika die Versöhnung prediget, empfangen soll, ein Eben-Ezer (= hebr. Eben-ha-ezer 'Stein der Hilfe', bibl.Ortsname, genannt in den Philisterkämpfen nach 1.Sam.4,1) sein, ein Denkmal der wunderbaren und gnadenreichen Führungen meines großen Gottes und Heilandes mit mir armem sündigen Menschenkinde. Und fragt man mich [...] aber jezt: Hast Du nun wirklich Freudigkeit und Mut nach Afrika zu gehen? bist Du nicht zu schwach? meinest Du denn, Du könnest auch etwas ausrichten? so antworte ich: Die letztere Frage will mir allerdings auch jezt noch manchmal bange machen, doch hat mir der Herr innerlich und im Verborgenen die Freudigkeit und das Vertrauen auf ihn stets erhalten und gemehrt; daß ich schwach bin, wird Er wissen, daß Er stark ist, weiß auch ich. (Ein Paulus selbst wollte sich am liebsten seiner Schwachheit rühmen, aber, der ihn mächtig machte, war Christus (2. Kor. 12,10, Pslm 4,12). Ja, Gott sieht unsre Schwachheit wohl, und daher wählt er gerne was schwach u verachtet ist vor der Welt, auf daß sich vor ihm kein Fleisch rühme. (Er erkennt, was für ein Gemächte wir sind; darum hat er auch meiner Schwachheit nicht die schwerste Aufgabe gestellt: er sendet mich an einen Ort, wo schon ein schöner Anfang gemacht ist, wo ich zu erfahrenen Brüdern komme, und weist mir eine Aufgabe an, zu der er mir gegeben hat und geben wird, was ich werde nötig haben. (Darum konnte ich auch mit Freuden den ersten Wink von meiner nunmehrigen Bestimmung für Afrika hinnehmen und habe mir nie eine andere gewünscht. Daß ich überhaupt dem Herrn in seinem Weinberge dienen darf, achte ich, gleich den Brüdern, die mit mir ziehen werden, für eine so große Gnade und Seligkeit, daß jede andere Rücksicht dagegen verschwindet.)

<7>

Als Hauptursache aber, warum meine Freudigkeit mich senden zu lassen überwiegt über alle Furcht und Bangigkeit, ist mir das klar geworden: es hat Gott wohlgefallen, daß er seinen Sohn offenbaret in mir (Gal. 1,15 u. 16), und wenn ich dieß auch nicht in der Weise wie Paulus sagen kann,

<8>

So ist mir doch das im Glauben gewiß: Jesus Christus ist mein Heiland, er ist aber auch und will sein aller Heiland, und ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden. Darum muß dieser Name auch den Menschen in Afrika verkündet werden. Christus ist darum für alle gestorben, auf daß die so da leben, hinfort nicht ihnen selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist. Auch die armen Neger sollen nicht mehr sich selber leben, sondern Christo, in welchem allein sie ihr Leben wahrhaft finden können.

<9>

Freilich uns, die wir als Sendboten zu den Heiden gehen wollen, gilt es zu allererst, daß wir nicht unser eigenes Leben suchen dürfen, und es ist daher mein sehnlichster Wunsch: O daß ich der Sünde sterben und nur Christo leben möchte. O daß ich Ihm fürs Erwerben meines Heils mehr Ehre brächt! Das weiß ich wohl: Ich bin elend arm und schnöde, aber Eines macht mir Mut, wär ich sonst auch noch so blöde Er ist unbeschreiblich gut.

<10>

Diese unbeschreibliche Güte und Liebe unseres Herrn, der sein Leben für uns gelassen hat, und nun vom Throne der Herrlichkeit herab sich selber mit allem, was er ist und hat, uns schenken und mittheilen will, möchte ich mir, den Negern und auch Euch anpreisen. Jesus ist gekommen, daß wir das Leben und volle Genüge haben sollen. Alle Vergnügungen außer ihm geben zu bald oder nie genug, machen Überdruß oder hinterlassen nur größere Leere. Aber Er ist der gute Hirte, der es uns nicht mangeln läßt an irgendeinem Gut. Ja er spricht zu den Seinen das große Wort: Gleichwie mich mein Vater liebet, also liebe ich Euch auch. Bleibet in meiner Liebe. O wenn wir alle diese - in der That unbeschreibliche, ja unausdenkliche - Liebe suchen, erfahren und in ihr bleiben - dann werden wir auch uns untereinander lieben, dann werden wir beten und arbeiten, daß das selige Friedensreich Gottes und seines Gesalbten komme, daß bald Eine Herde unter dem Einen Hirten werde, dann werdet Ihr beten auch für uns als Glieder Eines Leibes, die Ihr, ich möchte sagen, wie Fußzehen und Fingerspizen, hinaussendet an das Werk, die aber ohne fortwährenden Zusammenhang mit Euch und dem lebendigen Haupt der Gemeinde nichts zu Stande brächten.

<11>

Dann wird endlich auch der größte Wunsch Jesu vor seinem Vater erfüllt werden:

Auf daß die Liebe, damit Du mich liebest, sei in ihnen und ich in ihnen! Das geschehe an uns u an recht vielen mit uns. Amen.

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