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Johann Gottlieb Christaller an Mutter und Schwestern

(Basel, 25. März 1849)

Nbrg JG Chr 1

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Geliebte Mutter u Schwestern! Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei mit Eurem Geiste!

Ankunft des Herrn Josenhans im Missionshaus

Ihr habt wohl schon eher wieder einen Brief von mir erwartet, und um meine Schuld nicht zu vergrößern, will ich von dem gütigen Anerbieten des lb Herrn Josenhans Gebrauch machen und Euch Mittheilungen machen über dessen glückliche Ankunft und mein eigenes Wohleregehn.

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Die Briefe von Euch, von H. Clos, von dem Jünglingsverein, die Hutschachtel nebst ihrem Inhalt, auch das Büchlein von Münzenmeyer habe ich erhalten und bin für alles herzlich dankbar. Ich wollte Euch schreiben, sobald H. Oberhelfer angekommen wäre, aber, wie Ihr vielleicht schon erfahren habt, erkrankte Anna unterwegs bedeutend, so daß er seine Frau mit den beiden Mädchen in Freudenstadt (in der Post) zurücklassen mußte und selbst erst am So 7.d.M. hier ankam. Man hatte ihn im Missionshaus fast den ganzen Nachmittag erwartet, da aber um 7 Uhr die gewöhnliche Missionsstunde war, gieng nun diese, während Herr J. in der Stille seine Zimmer angewiesen wurden, ungestört vor sich. Wir haben den Winter hindurch eine eigene Missionsstunde in der Voranstalt.

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Die Einweihungsfeierlichkeit wurde auf So Abend 5 Uhr bestimmt. Zu derselben fanden sich sämtliche Angehörige der beiden Anstalten ein. Der Präsident der versammelten Committee sprach zuerst ein Gebet u hielt eine Ansprache, nach ihm trat H Inspektor Hoffmann und dann H. Josenhans auf, ein Committee-Mitglied schloß mit Gebet. Frau Bunz, Frau Hager mit Tochter u Albrecht waren auch zugegen.

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Die Feier war ungemein wichtig und erhebend. Man konnte so deutlich sehen, wie Hr Josenhans der für diese Stelle längst von Gott bestimmte Mann sey, und mußte die gnädigen und herrlichen Führungen des Herrn dankend und lobend bewundern. Mich freute besonders auch das, daß Hr Josenhans mit solcher Glaubenszuversicht und Freudigkeit sein Amt übernahm, und daß er, wie er dieß in seiner Rede aussprach, in den letzten drei Monaten seines Aufenthaltes in Winnenden es erfahren durfte oder einen Vorschmack davon bekam, wie der Herr seine Diener über Erwarten belohnen kann und wird.

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Ich denke, Euch nächstens noch einiges Nähere nebst zwei auf die Empfangsfeierlichkeiten gedichteten Lieder mitzutheilen. Außer den Begrenzungen waren nach der Feier im Speisesaale zwei große geschmackvoll ausgeführte Transparente, worauf acht Bibelsprüche zu sehen; bei dieser Gelegenheit konnte ich Hrn Josenhans begrüßen, er war gar freundlich gegen mich, freute sich meines guten Aussehens (gestern sagte er mir, ich solle Euch nur schreiben, pfausbacken (sic) bekomme ich, ich selbst wußte übrigens noch nichts davon, fand dagegen in seinem guten Aussehen und vollerem Gesichte eine solche vortheilhaftige Veränderung) und lud mich auf Montag zu sich, wo er mir auch das von seiner Heilanstaltsgemeinde im abgemalten Winnenden zeigen wolle. Da ich aber in dieser Woche jeden Tag und zwar nachmittags schon um 1 Uhr, die Schule zu besuchen hatte, und zwei Gänge am Mo und am Mi Abend (wo ich mir, um wenigstens vor Abgang des Briefpaketes am Donnerstag noch mit ihm sprechen zu können, Zeit nahm) vergeblich waren, konnte ich erst gestern Nachmittag zu ihm kommen.

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Da ich wegen des Schneegestöbers den halbstündigen Hin- und Herweg nicht zweimal machen wollte, wartete ich im Missionshause einige Stunden, bis er von einem Besuche in der Stadt zurückgekommen und hernach eine Unterredung mit einem vorher angemeldeten jungen Manne zu Ende war, was ich nur anführe, um auf meine Entschuldbarkeit in Betreff des Briefschreibens und des Besuchs von Hrn Josenhans zu Anfang Dez. hinzuweisen. Er sagte mir, daß er, wenn nicht das schlechte Wetter eingetreten wäre, als gestern schon abgereist wäre, seine Frau u Kinder abzuholen, da Anna wiederhergestellt sey; dies wird nun jedenfalls in dieser Woche geschehen, und er ist gesonnen, hierbey doch auch die Eisenbahn zu benützen, was ihm für die ganze Reise um der Gesundheit seiner Frau willen, abgeraten worden war. Zu arbeiten hat er genug, da viele Briefe zu beantworten sind und auch veränderte Haushaltungseinrichtungen zu schaffen machen; er wird einige Wochen lang noch keinen Unterricht erteilen können.

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(Äußere Formalitäten und Segenswünsche): In der Charwoche wird ein Paket nach Stuttgart abgehen, mit welchem ich den Band von Rieger (?), Herrn Gauger die Bruggener Monatsblätter (Jhrg 1835 war nicht mehr zu haben) und Briefe an Euch und meine Freunde abschicken will. Ich werde Euch dabei meine Zeiteintheilung und einiges von unserem Anstaltsleben mittheilen, auch wie mich der armenische Bruder Michael durch eine besondere Liebe zu mir neuerdings beschämt u erfreut. [...]

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